Milliardäre werden immer reicher – dabei braucht der Staat dringend Geld. Der Ökonom Marcel Fratzscher fordert höhere Vermögenssteuern. Diskutieren Sie jetzt mit ihm.

Eine neue Analyse des Economist zeigt einen massiven Anstieg der Vermögen von Milliardärinnen und Milliardären, nicht nur in der Corona-Pandemie, sondern stetig seit den Neunzigerjahren. Im Gegensatz dazu waren Staaten in den vergangenen 200 Jahren nie so stark verschuldet wie heute. Für Bildung, Gesundheit, eine leistungsfähige Infrastruktur, Klimaschutz und viele andere zukunftsweisende Aufgaben fehlt das Geld. Die politisch Verantwortlichen haben sich bisher geweigert, den Widerspruch zwischen einerseits wachsenden Defiziten bei Daseinsvorsorge und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und andererseits einer enormen Konzentration von Vermögen aufzulösen. Es ist höchste Zeit, dass die Politik dies tut.

Die Untersuchung des Economist zeigt, dass der Anteil der Vermögen von Milliardären in den vergangenen 25 Jahren explodiert ist. Besaßen alle Milliardäre und Milliardärinnen der Welt im Jahr 1998 noch 315 Milliarden Dollar an Vermögen, was damals einem Prozent der globalen Wirtschaftsleistung entsprach, so ist deren Vermögen bis zum Jahr 2022 bereits auf 3.000 Milliarden Dollar gewachsen (drei Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts).

Besonders stark gestiegen sind die Werte in autokratischen Ländern und in Wirtschaftssektoren, die für Korruption bekannt sind: Banken, Bau, Immobilien, Rohstoffe. Aber auch in Demokratien hat dieser Anteil zugenommen – von 0,5 Prozent auf 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Er hat sich also verfünffacht.

Deutschland besteuert Vermögen kaum und Arbeit stark

In kaum einem demokratischen Land ist der Anteil der Vermögen der Superreichen an der Wirtschaftsleistung so hoch wie in Deutschland – er beträgt 13 Prozent des BIP oder knapp 500 Milliarden Euro. Allerdings stammt es kaum aus Sektoren, in denen oftmals Korruption beobachtet wird – teilweise wegen eines starken Rechtsstaats, aber auch, weil Deutschland kaum Rohstoffe hat.

Dagegen schneidet Deutschland weniger gut beim Ursprung der Milliardenvermögen ab: 70 Prozent sind nicht durch eigene Hände Arbeit, sondern durch Erbschaften und Schenkungen entstanden. Das Argument, Vermögen seien primär durch wirtschaftliche Leistung erzielt worden, stimmt auch in Demokratien nur begrenzt und tendenziell immer weniger. Und dieser Anteil nimmt zu, da wir uns in einem Generationenwechsel befinden, bei dem Frauen und Männer, die nach dem Zweiten Weltkrieg viel Vermögen aufgebaut haben, dieses nun weitergeben. So werden jedes Jahr in Deutschland bis zu 400 Milliarden Euro verschenkt oder vererbt.

Ein zweiter zentraler Grund für die ungewöhnlich großen Vermögen in Deutschland ist, dass kaum ein anderes Land Vermögen so gering und gleichzeitig Arbeit so stark besteuert.

Dabei zeigt sich, dass Milliardäre gerade von Krisen profitieren und dann ihre Vermögen vermehren können – vor allem durch den Boom der Aktien- und Immobilienmärkte. So war das Corona-Jahr 2020 nach Analysen der Financial Times und J.P. Morgan eines der finanziell erfolgreichsten Jahre für Milliardärinnen weltweit: Ihre Zahl hat sich 2020 um 700 auf 2.700 erhöht. Gleichzeitig sind in dem Jahr aber auch mehr als 100 Millionen Menschen in absolute Armut abgerutscht, sie müssen also von weniger als 1,80 Dollar oder 1,60 Euro pro Tag leben. Deutschland ist keine Ausnahme: Die Zahl der Milliardäre ist 2020 um 29 auf 136 gestiegen, und ihre Vermögen sind um 100 Milliarden Euro gewachsen. Seitennavigation

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Der Widerspruch für die Politik heute ist: Die Staatsschulden waren nie höher und zugleich war die Daseinsvorsorge noch nie so schlecht, ob Bildung, Gesundheit, Klimaschutz, Infrastruktur. Die Frage, die sich die Politik stellen muss: Soll sie die Daseinsfürsorge weiter reduzieren und soll der Staat noch stärker von seiner Substanz leben? Oder will sie die notwendigen öffentlichen Investitionen tätigen und diese durch effiziente Ausgaben und höhere Steuereinnahmen finanzieren?

Deutschland besteuert Vermögen durchschnittlich mit einem Prozent der Wirtschaftsleistung. So nimmt es 40 Milliarden Euro im Jahr ein. Würde der Staat Vermögen genauso stark wie Frankreich, Großbritannien oder die USA besteuern, so hätte er jedes Jahr 120 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen. Eine stärkere steuerliche Belastung von Vermögen lässt sich durchaus so gestalten, dass sie wirtschaftlich nicht schädlich ist. Und sie würde ausreichen, um die notwendigen öffentlichen Investitionen zu finanzieren und gleichzeitig den Staatshaushalt auf nachhaltige Füße zu stellen.

Gibt es einen guten Grund gegen eine solche Reform?

    • Tvkan@feddit.de
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      1 year ago

      Ich lese diesen Satz immer wieder als Karikatur, aber hötte noch niemanden in echt aus so einer Haltung heraus argumentieren können.

      So dumm sind die Leute nicht.

      Die Menschen sind aber in einem System konditioniert worden, in dem man Einkommen mit Leistung gleichsetzt, von Arbeit"gebern" spricht und das System als Alternativlos dargestellt wird (nichtmal die Gewerkschaften fordern noch die Vergesellschaftung von Betrieben, wtf).

      Die glauben nicht, dass sie selbst Milliardäre werden, sondern dass wir irgendwie auf die angewiesen wären und/oder die so viel Geld verdient hätten.

      Und: Niemand realisiert, wie viel eine Milliarde wirklich ist, und wie riesig der Unterschied zur Million ist.

      • raketenhund_@feddit.de
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        1 year ago

        Soziologen beschreiben unseren Zustand mittlerweile als Geld-Feudalismus.

        Da kann man sich direkt mit den Bauern von damals identifizieren, die dachten es wäre ein gutes System, welch man nicht ändern kann bzw. sollte.

        • Tvkan@feddit.de
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          1 year ago

          Im Geschichtsunterricht fand ich es immer so wirr in den Büchern zu lesen, dass die Bauern dem Fürsten/Herzog/whatever Steuern zahlen mussten, “damit der sie beschützt”. Dabei sind es am Ende natürlich die Bauern selbst gewesen, die auf dem Schlachtfeld abgestochen wurden, und nicht der Fürst.

          Genauso geht es mir beim Begriff “Abreitgeber”.

      • statist43@feddit.de
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        1 year ago

        1 Mio €: Jeden Tag 1000€ für ugf 3 Jahre

        1 Mrd €: Ich glaub ich hab n Rechenfehler, aber laut Taschenrechner sind das, nach mehrmaligem rechnen und fassungslos auf den Kopf schlagen;

        FUCKING 3000 Jahre JEDEN TAG 1000€

        Bitte findet irgend einen Fehler in der einfachen Mathematik oder oder sagt mir meine Rechnung ist falsch.

        Rechnung:

        1.000.000/(365*1000)= 2,(komma)739 Jahre

        1.000.000.000/(365*1000)= 2.739,(komma)726 Jahre

        Ich habe die Punkte für die übersicht dazugepackt, macht die milliarde aber trotzdem nicht “überschaubarer”

        Jeden Tag 1000€ für 3 Jahre kann ich mir fast nicht vorstellen. Aber, dass Moses bis heute jeden Tag 1000€ bekommen würde und damit gerademal ein “einfacher” Milliardär wäre ist mir iwie unverständlich. Ich glaube ich könnte ne Chinesische Zeitschrift eher morgen übersetzen, als dass mir 1 Grund für die daseinsberechtigung von soviel Vermögen bei einem Menschen aufm Konto einfallen würde.

        Wenn diese rechnung nochmal x100 gemacht wird, dann ist man im TechBoyClub, wenn man das nochmal verdoppelt ist man ugf bei dem Wert von den Typ von L&V.

        Abgefuckte scheiße.

        Seit Homo-Sapiens auf der Erde wandert JEDEN TAG 1000€, und diese Leute haben TROTZDEM nicht genug und wollen mehr.

        Was zum Fick

        Edit: Absätze und Formatierung

          • statist43@feddit.de
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            1 year ago

            “auf die paar zerquetschte mio’s ist drauf geschissen. Die holen wir uns beim nächsten cum ex”

            • so ziehmlich jeder mrdär
        • Tvkan@feddit.de
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          1 year ago

          Meine Lieblingsrechnung, weils etwas greifbarer ist:

          Wenn man jede Sekunde einen Euro bekäme, wären das 3.600€ pro Stunde oder 86.400€ am Tag. Das ist schonmal ein sehr solides, weit überdurchschnittliches Jahreseinkommen.

          1 Millionen Sekunden sind etwa 11½ Tage. Das ist der übernächste Mittwoch. Das sind ein ganzes Arbeitsleben (40 Jahre) Mindestlohn, brutto.

          1 Milliarde Sekunden sind etwa 31½ Jahre.

          • Malossi167@feddit.de
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            1 year ago

            Wenn du die Titanic mit $1 Noten befeuern würdest, bräuchtest du knapp 1 Mrd am Tag. Das dürfte eine der schnellsten “produktiven” Wege sein sein Geld zu verbrennen.

          • statist43@feddit.de
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            1 year ago

            Tut mir leid, aber weder meine noch deine rechnung ist iwie “greifbar” für mich… Solche anhäufungen an Geld (und damit Arbeitsenergie) ist doch Kriminell. Damit macht man sich doch mindestens zu ner Gesellschaftlichen unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Wenn nicht sehr viel mehr

        • A2PKXG@feddit.de
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          1 year ago

          Was sind schon 1000€? Dafür bekommt man eine Flasche Wein!

    • statist43@feddit.de
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      1 year ago

      Ich glaub an dich! Du kannst ALLES erreichen wenn du nur willst. Ich erklär dir mehr in meinem Podcast! /s

    • brainwashed@feddit.de
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      1 year ago

      Aber ich wollte doch nur, dass die anderen enteignet werden! :( – Du, kurz vor der Enteignung.

    • A2PKXG@feddit.de
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      1 year ago

      Es geht ganz grundsätzlich um die Achtung von privaten Eigentum.

      Selbstverständlich kann es Gesellschaften geben, die ohne dieses Konzept auskommen. Dort möchte ich aber nicht leben.

      • Frittiert@feddit.de
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        1 year ago

        Man kann sich aber darüber unterhalten, ob es in einer Welt mit begrenzten Ressourcen sinnvoll und gerechtfertigt ist, einzelnen Menschen quasi unbegrenztes privates Eigentum zu erlauben. Ich finde nicht.

      • Kleinbonum@feddit.de
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        1 year ago

        Es geht ganz grundsätzlich auch um die Achtung von sozialer Gerechtigkeit.

        Soll ein verschwindend kleiner Anteil der Bevölkerung tatsächlich einen Grossteil der Ressourcen und des Reichtums innerhalb einer Sozialgemeinschaft besitzen dürfen, während Millionen Menschen in prekären Lebensumständen leben müssen?

        Selbstverständlich kann es Gesellschaften geben, die ohne das Konzept sozialer Gerechtigkeit auskommen. Dort möchte ich aber nicht leben.

        • A2PKXG@feddit.de
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          1 year ago

          Nun ja. In der DDR wurden die reichen enteignet. Ich habe nicht mitbekommen, dass es dort den einfachen Leuten besser ging.

          • mpldr@beehaw.org
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            1 year ago

            Nur als Anmerkung: niemand sagt man solle Vermögen auf 0 reduzieren (wie damals). Was Leute sagen: man wird ohne Ausbeutung anderer Manschen kein Multimillionär.

          • Oliver
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            1 year ago

            Frag mal Obdachlose und Wendezeit-Arbeitslose.