Krefeld · Jahrelange Streitigkeiten um die Bepflanzung ihres Kleingartens haben das Ehepaar Hamm mürbe gemacht. Sie geben ihr kleines Paradies auf. Dem waren mehrere Gerichtsverfahren mit dem Verein vorausgegangen. Sogar der Nabu ergriff Partei.

Traurig schlendert Markus Hamm durch seinen Garten. Es ist ein wehmüti­ger Abschied nach vielen Jahren. Die Parzelle in der Kleingartenko­lonie Krähenfeld lag ihm und sei­ner Frau Erika sehr am Herzen. Mit Herzblut pfleg­ten sie den Garten, ernteten Äpfel, dutzende Beerenarten, Trauben und Kar­toffeln. Sie pflanzten Blu­men und Büsche, so dass sich Bienen und Schmetterlinge dort wohl fühlten – doch damit ist es nun vorbei.

„Im Frühjahr, wenn alles blühte, dann war es hier ein stetiges Sum­men und Brummen. Wir hatten Besuch von Hunderten Schmetterlingen. Dazu der Blick raus auf die Pferdekop­peln direkt hinter dem Weg, es war ein Traum“, erzählt Erika Hamm. Das ökologische Kleinod aber passte nicht in die reglementierte Welt in der Gartenkolonie. „Ich habe mich an die gesetzlichen Regeln nach Bun­deskleingartenverordnung gehalten. Aber ich habe nicht alles steril gehalten. Für uns ist ein Garten vor allem ein zusammensein mit der Natur, ein Leben in und mit ihr. Wir haben uns erfreut an dem, was unser Garten an Nahrung hervor­bringt. Und nicht zuletzt an den Habitaten für Tiere“, sagt Markus Hamm.

So ließ er an der Grundstücksgrenze eine rund 30 bis 40 Zentimeter hohe Konstruktion aus kleinen Zweigen liegen. „Daraus können sich Vögel Nistmaterial holen, Igel können sich verkriechen und andere Tiere finden Lebensraum“, erläutert Hamm. Unmittelbar daneben blieb sogar ein Streifen mit Brennesseln stehen. „Die sind Lebensraum für einige Schmetterlingsarten. Auch dadurch haben wir hier im Sommer immer so viele Schmetterlinge gehabt“, er­zählt er. Unterschiedliche Blüh­pflanzen in den verschiedenen Bee­ten boten über Jahre die richtige Nahrung. Eine Rasenfläche gibt es nicht. Der Lieblingsplatz von Erika Hamm war ein Stuhl unter einer üppig mit Wein überrankten Pergola. „Wenn im Herbst die Reben herunter wuchsen, dann konnte man einfach den Kopf zurücklegen und eine wun­derbar süße Traube einfach mit dem Mund herunterpflücken“, erzählt sie.

Doch das ist nun vorbei. Es gab mehrere Gerichtsverfahren gegen den Verein. Dessen Vorwurf: Das Ehepaar habe mit seiner Bepflanzung gegen die Vereinssatzung verstoßen. Nun geben die Hamms entnervt auf. „Ich bin wirklich nicht scheu vor einer Auseinandersetzung. Schon vor vielen Jahren habe ich, damals in meiner Arbeit als Goldschmied, so­gar den Regierungspräsidenten ver­klagt und gewonnen, als er eine Leistung nicht ordnungsgemäß bezah­len wollte. Jeder sagte mir: Lass das, Du hast keine Chance. Aber ich hasse Ungerechtigkeit und habe mich immer gewehrt. Aber jetzt ist meine Energie am Ende. Der ständige Streit und Stress, es verleidet mir den Spaß am Garten“, erzählt er.

Erika Hamm wollte es lange nicht wahrhaben, suchte nach Nachpächtern im Freundes- und Bekanntenkreis. Doch niemand wollte den Streit mit dem Verein fortführen – noch weni­ger aber wollten die Menschen im Umfeld der Hamms den Garten in ei­nen Zustand versetzen, wie der Verein ihn sich wünscht. „Ich mag mir gar nicht vorstellen, was dort jetzt passiert. Vermutlich werden die tollen Obstbäume mit ihren wunderbaren Äpfeln und Kir­schen gefällt. Der Wein, unsere schönen Blühpflanzen, ich fürchte, es wird alles zerstört werden“, sagt Erika. Dabei hatten die Hamms durchaus Un­terstützung. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hatte den Garten begangen und zeigte sich begeistert. „Was den Garten vor allem auszeich­net ist, dass Herr Hamm beispiels­weise Stauden im Winter stehen ließ. So hatten Vögel Nahrung und Insekten Unterschlupf.“

Viele Regeln in Kleingärten seien laut Nabu „ökologisch und gesellschaftlich gesehen regelrecht antiquarisch. Gärten im Herbst ,aufzuräumen‘ macht sie ökologisch tot und nutzlos. Das sind Arbeiten, die man besser im Frühjahr aus­führt, zumal man den Garten im Win­ter erfahrungsgemäß ohnehin weniger nutzt“, sagt Theo Malschützky, Nabu-Mitglied und Sprecher für Land- und Forstwirtschaft.

Dass die Hamms nun aufgeben, sei „ein Ver­lust. Aber ich kann auch verstehen, dass sie mit 80 Jahren keine Kraft mehr für das dauernde Gezänk haben. Was der Verein fordert, ist einfach ökologischer Unsinn“, sagt er. Si­cher sei Hamm manches Mal auch über das Ziel hinaus geschossen. „Aber es war immer im Sinne der Natur und der Vielfalt. Da wünsche ich mir auch mal etwas Rücksicht seitens der Nachbarn“, betont er. Gerade Krefeld sei durch die Studie zum Insektensterben weltberühmt ge­worden.

Die Hamms und ihre Mit­streiter wünschen sich, dass von hier auch ein Stück ökologisches Bewusstsein ausgeht, um der Biodi­versitätskrise zu begegnen. Kleingärten sind hierfür, das zeigt er Fall der Hamms, offenbar nicht der Ort. „Ich kann nur wiederholen: Das hier vor­herrschende Denken ist in jeder Hinsicht veraltet und ökologisch unsinnig“, betont Malschutzky. Die Hamms haben ihr geliebtes Refugium dadurch verloren.