Die Beitragsbemessungsgrenze wird ab 2024 wieder einmal leicht erhöht. Und wieder mal stellt sich mir die Frage: Warum gibt es die überhaupt?

Die Grenze höher anzusetzen (oder - ohgott die armen Millionäre! - bloß nicht anzutasten) fordern erwartbar verschiedene Parteien. Bis auf Die Linke [1, 2] scheint allerdings niemand darüber nachzudenken, diese tatsächlich einfach abzuschaffen. 2016 gab es die Idee, feministisch gedacht, mal aus der Richtung einer SPD-Familienministerin, innerhalb der Partei gab aufgrund von Sorgen um entsprechend steigende Rentenbeiträge allerdings genug Gegenwind um die Überlegung wohl gleich ganz zu begraben und sich mit der jährlichen Anpassung zu begnügen, die wohl gerade ein kleines Stückchen besser ist, als nichts zu tun und durch Inflation und Lohnentwicklung immer weitere Teile der Arbeitnehmer:innen hineinrutschen zu lassen. Durch die Schonung der Sozialversicherungsbeiträge bei den reichsten Prozent unserer Gesellschaft entgeht dem Staat dabei in Zeiten von Einsparungsnöten an allen Ecken wahrscheinlich immense Summen, die anderswo investiert gehören. Das sorgt bei mir für Kopfschütteln.

Ich glaube: Wenn mehr Menschen wüssten, dass diese Grenze existiert und wie sie funktioniert, müsste es eigentlich mehr Gegenwind dagegen geben, anders kann ich mir das nicht erklären. Im Kern halte ich sie für einen fundamental unfairen Mechanismus, der im besten Fall dazu dient, sich politisch den Allerreichsten unserer Bevölkerung anzubiedern, um diese bloß nicht verhältnismäßig zu belasten wie den Rest.

Wie ist eure Meinung dazu? Gibt es Aspekte, die tatsächlich für die Grenze sprechen, oder was soll das ganze eigentlich?

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      10 months ago

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      „Wir befinden uns an einem Kipp-Punkt“: Bei den Krankenkassen droht der nächste Kostenschock

      Die Beitragssteigerungen werden 2024 wohl „eher am oberen Ende der befürchteten Skala“ liegen. Unternehmen und Kassen sind alarmiert. Sie sehen die Akzeptanz des Systems gefährdet.

      Von Jürgen Klöckner

      Heute, 12:23 Uhr

      Während die Bundesregierung noch über weitere Entlastungen für Unternehmen und Bürger diskutiert, droht schon der nächste Kostenschock. Grund ist ein milliardenschweres Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), das sich für das kommende Jahr abzeichnet.

      Dieses könne sich „eher am oberen als am unteren Ende der befürchteten Skala bewegen“, warnte die Vorständin des Dachverbands der Betriebskrankenkassen (BKK), Anne Klemm, gegenüber dem Handelsblatt. Dafür könnten unter anderem mögliche Kosten für diverse Reformen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sorgen, etwa für die Notfallversorgung und Kliniken.

      Bislang gehen die Krankenkassen von einer Lücke zwischen 3,5 und sieben Milliarden Euro im Jahr 2024 aus. „Ich befürchte, dass wir dann eher bei sieben Milliarden Euro herauskommen werden“, sagte Klemm.

      Zudem gebe es „durch die Konjunktur und steigende Arbeitslosigkeiten große Risiken für die Einnahmen“ der Kassen, warnte sie. Was das für Versicherte und Arbeitgeber bedeuten würde, zeigt das vorläufige und noch unveröffentlichte Finanzergebnis der GKV für das zweite Quartal 2023, das in die Analyse der BKK eingeflossen ist und dem Handelsblatt vorab vorlag.

      Demnach müsste der Zusatzbeitrag ohne politische Maßnahmen um 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte steigen. Für Versicherte und deren Arbeitgeber würde dies eine Mehrbelastung von jeweils bis zu rund drei Milliarden Euro bedeuten.

      Pflegebeitrag ist auf Rekordhoch

      Die Zahlen dienen gleichzeitig als Grundlage für das Treffen des Schätzerkreises im Oktober. Das Gremium berechnet die erwartbaren Einnahmen und Ausgaben der GKV im kommenden Jahr, woraus sich die nötigen Beitragserhöhungen ergeben. Dass sich diese erneut abzeichnen, nannte Klemm eine „Bankrotterklärung der Bundesregierung“. Dies stehe dem Versprechen entgegen, Unternehmen und Bürger zu entlasten.

      „Wir befinden uns an einem Kipp-Punkt der Akzeptanz für das System“, sagte Klemm. „Die Versicherten werden bei steigenden Beiträgen und wachsender Unzufriedenheit mit der Versorgung hinterfragen, wofür sie eigentlich mehr Geld zahlen.“

      Bereits in diesem Jahr stieg der durchschnittliche Zusatzbeitrag auf 1,6 Prozent. Hinzu kommt der allgemeine Beitragssatz von 14,6 Prozent auf den Bruttomonatslohn. Die Last teilen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

      Die Versicherten werden bei steigenden Beiträgen und wachsender Unzufriedenheit mit der Versorgung hinterfragen, wofür sie eigentlich mehr Geld zahlen.

      Anne Klemm, Vorständin des Dachverbands der Betriebskrankenkassen (BKK)

      Auch der Pflegebeitrag wurde auf ein Rekordhoch angehoben. Lauterbach hatte bereits im Juni angekündigt, dass Kassenpatienten im kommenden Jahr wahrscheinlich mehr zahlen müssten.

      Nach Handelsblatt-Informationen laufen im Kabinett allerdings noch Verhandlungen, um den Anstieg abzuwenden. „Jedwede Beitragserhöhungen sind kein Beitrag zu einer nachhaltigen Finanzierung“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Andrew Ullmann. „Ich erwarte, dass wir nach langem Warten einen konstruktiven Vorschlag des Ministers bekommen.“

      Lindner will keine weiteren Steuergelder zur Verfügung stellen

      In der Koalition schätzt man die Chancen auf fünfzig zu fünfzig, dass sich die beteiligten Minister auf entsprechende Maßnahmen einigen. Ergebnisse werden nicht vor November erwartet.

      Hintergrund ist, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) keine weiteren Steuermittel zur Verfügung stellen will, um die Krankenkassen zu stabilisieren, gleichzeitig aber Maßnahmen wie eine höhere Beitragsbemessungsgrenze ablehnt. Die SPD sperrt sich wiederum gegen Leistungskürzungen.

      „Dem Minister läuft die Zeit davon“, sagte der Wirtschaftsweise Martin Werding dem Handelsblatt. Die Ausgaben stiegen. Gleichzeitig gebe es keine kurzfristig wirksame Maßnahme, die den Anstieg eindämmt und gleichzeitig Druck auf die entsprechenden Akteure im Gesundheitssystem ausübt, wirksame Strukturreformen anzugehen. „Es bleiben nur zusätzliche Belastungen für Versicherte oder Patienten“, warnte er.

      Werding fordert deswegen eine „einkommensabhängige Belastungsgrenze“, bis zu der die Versicherten ihre Gesundheitskosten selbst tragen können und müssen. „Ein solches Element sollte aber ebenfalls wohlüberlegt sein und später in ein umfassenderes Reformkonzept passen“, sagte er.

      Der angekündigte weitere Anstieg des Zusatzbeitrags ist die traurige Konsequenz des fehlenden Willens des Gesundheitsministeriums, die gesetzliche Krankenversicherung zu reformieren und damit die Spirale ständig steigender Beitragssätze zu stoppen.

      Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

      Auch die Wirtschaft blickt zunehmend fassungslos auf die steigenden Sozialabgaben und sieht darin – neben den hohen Energiekosten – einen gravierenden Standortnachteil. „Der angekündigte weitere Anstieg des Zusatzbeitrags ist die traurige Konsequenz des fehlenden Willens des Gesundheitsministeriums, die gesetzliche Krankenversicherung zu reformieren und damit die Spirale ständig steigender Beitragssätze zu stoppen“, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger dem Handelsblatt.

      Leistungskürzungen sind im Gespräch

      Beschäftigten bliebe in Deutschland weniger von ihrem erwirtschafteten Einkommen als in fast allen anderen Ländern. „Das deutsche Gesundheitswesen ist das teuerste in der gesamten Europäischen Union“, sagte er. „Wir haben daher kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem.“

      Vorschläge, das Kassendefizit zu senken, gibt es viele. Sie reichen von Leistungskürzungen bei Zahnarztbehandlungen, einem Gewinndeckel für Pharmaunternehmen, über höhere Zucker-, Tabak- und Alkoholsteuern bis hin zu einer niedrigeren Mehrwertsteuer auf Arzneimittel.

      Die Koalition ist sich allerdings über all diese Maßnahmen uneins. Das Regierungsbündnis aus SPD, Grüne und FDP hatte sich zwar vorgenommen, die GKV bei den Mehrkosten für Bürgergeldempfänger stärker zu entlasten. Sie belaufen sich auf rund zehn Milliarden Euro pro Jahr. Das Vorhaben scheitert allerdings an den klammen Haushaltskassen.

      Ampel uneinig über Reformvorschläge

      Im ersten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verpflichtete sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dazu, bis zum 31. Mai dieses Jahres Vorschläge für eine dauerhafte Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorzulegen.

      Nach eigenen Angaben hat das Ministerium damals auch fristgerecht geliefert – allerdings warten nach wie vor auch die Gesundheits- und Haushaltspolitiker der Ampel auf die Vorschläge.

      Das liegt offenbar an erneuten Verständigungsproblemen in der Koalition. Auch nach mehr als drei Monaten, dauere „der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Bundesregierung“ an, erklärt das BMG in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Unionsfraktion, die dem Tagesspiegel Background vorliegt.

      Zudem hofft die Koalition, langfristig Kosten durch Reformen einzusparen – beispielsweise durch Digitalisierungsprojekte wie der elektronischen Patientenakte oder eine Krankenhausreform.

      In der BKK-Analyse hingegen wird die Krankenhausreform zu den drei größten Ausgabenrisiken im kommenden Jahr gezählt. „Die Länder rufen nach mehr Geld, unter anderem für einen Strukturfonds“, sagte Vorständin Klemm. „Diese Kosten dürfen nicht den Krankenkassen aufgebürdet werden.“

      Ausgabenrisiken sieht der Dachverband außerdem bei Arzneimitteln und im ambulanten Bereich durch die Inflation. Derzeit laufen beispielsweise mit Blick auf die Teuerungen Verhandlungen über höhere Ärztehonorare.

      Einnahmen der Krankenkassen aber besser als erwartet

      Immerhin kommt den Kassen zugute, dass die Einnahmen in diesem Jahr deutlich besser ausfallen als erwartet. Die Finanzen entwickelten sich sogar so gut, dass den Berechnungen zufolge der Zusatzbeitrag in diesem Jahr deutlich weniger stark hätte steigen müssen. Grund dafür sind unter anderem hohe Lohnabschlüsse und ein höherer Mindestlohn. Außerdem gab es weniger stationäre Behandlungen .Insgeamt wiesen die Kassen der BKK-Analyse zufolge im ersten Halbjahr ein Vermögen von knapp 9,5 Milliarden aus. Das könnte Begehrlichkeiten bei der Politik wecken, die bereits für dieses Jahr die Reserven der Krankenkassen anzapfte, um das Defizit zu senken.

      „Gleichwohl werden etliche Sparmaßnahmen im kommenden Jahr nicht greifen“, sagte BKK-Vorständin Klemm. Neben höheren Beiträgen hatte die Bundesregierung für dieses Jahr unter anderem Einschnitte für die Pharmaindustrie, Praxen und Krankenkassen beschlossen, um die GKV zu stabilisieren. Diese sind nun nicht in Sicht.